FCW-Besitzer sprechen über die Zukunft: «Wollen nicht diejenigen sein, die den Club ‹klein halten›»

Allgemeine News
16. Mai 2024

Dem FC Winterthur fehlen mehrere Millionen Franken pro Jahr zu einem Super-League-tauglichen Budget. Ohne das Geld sei ein Teilverkauf des FCW nicht mehr ausgeschlossen.

Interview mit Mike & Tobias Keller
Der Landbote, 8. Mai 2024, Winterthur | Autor: Gregory von Ballmoos

Sie reden eigentlich nicht gerne. Im Mittelpunkt stehen soll der FCW. Und vielleicht noch ihre Firma, die KELLER Druckmesstechnik AG. Aber nicht sie. Nicht Mike Keller und auch nicht Tobias Keller. Doch nun empfangen die beiden am Hauptsitz ihrer Firma in Winterthur. Es gibt Gesprächsbedarf, weil die Zahlen beim FCW nicht stimmen. Und Zahlen müssen stimmen. Immer. Zudem stand ihr Club zuletzt in der Kritik. Die Frauen würden zu wenig gefördert, sagen die Fans. Das Stadion sei zu wenig gut, sagt die Liga.

Zuerst gibt es aber eine Führung durch den Hauptsitz der Firma, die seit über 20 Jahren den FCW unterstützt. Auf beiden Seiten des Gebäudes sind Baustellen zu sehen. Auf der einen sind die ersten Anfänge der Querung Grüze erkennbar. Auf der anderen baut die KELLER Druckmesstechnik für 90 Millionen eine neue Produktionsstätte. 30 Meter breit, 90 Meter lang, so hoch wie das höchste Gebäude am Horizont. Das erste Untergeschoss ist bereits gegossen.

Ihre neue Fabrik hat aus Sicht der Kellers einen kleinen «Schönheitsfehler», der direkt ins Thema führt. Zum ersten Mal in der Firmengeschichte muss die KELLER Druckmesstechnik auf fremdes Geld zurückgreifen. Sie tut das nur ungern. «Das ist der Vatergeist», begründet zuerst Tobias Keller, er ist CEO, Verwaltungsrat und Mitinhaber der KELLER Druckmesstechnik zusammen mit seinem Bruder Mike, der als Verwaltungsratspräsident amtet. Er wiederholt das Wort und fährt fort: «Es geht um Unabhängigkeit.» Diese wolle man wahren.

«Ein stimmiger Betrag»
Dieser «Vatergeist» schwebt auch über dem FC Winterthur. Auch da geht es um Geld und fremde Beteiligung, doch dazu später. Der Verein ist im Familienbesitz der Kellers, die KELLER Druckmesstechnik ist die Hauptsponsorin, ihre Möwe prangt prominent auf dem Trikot und neben der Anzeigetafel. Auch das Controlling und die Finanzen laufen über die KELLER Druckmesstechnik. Und genau bei diesen Finanzen gibt es Klärungsbedarf. Maximal eine Million à fonds perdu zahlen die beiden als Besitzer jedes Jahr in den FCW. Zuletzt soll es etwas weniger gewesen sein, weil es weniger brauchte. Reserven wurden beim FCW keine gebildet. Dazu kommt ein namhafter Sponsoringbetrag für die Trikots und Bandenwerbung. Insgesamt sind es rund 1,3 Millionen. Dazu stehen sie. «Einen stimmigen Betrag» nennen sie das.

Nur, im Jahr 2023 schossen die Brüder fast zwei Millionen Franken ein. Das geht aus dem Finanzbericht der Liga hervor. «Wenn man Ballet nicht hätte verkaufen können, wäre der Betrag noch wesentlich höher gewesen», sagt Mike Keller. Das ist zu viel. «Es ist okay, wenn der Verein defizitär ist, aber wir haben unsere Schmerzgrenze und sind nicht bereit, über längere Zeit ausserhalb dieser zu operieren», sagt Tobias Keller. «Aus rein finanzieller Perspektive haben wir lieber einen gesunden Challenge-League-Club als einen hoch defizitären Super-League-Club», sagt er. Beim FCW haben sie darum ein monatliches Kostencontrolling eingeführt.

Vorbild St. Gallen
Verglichen mit anderen Teams der Liga mag das Defizit des FCW ein «kleiner» Betrag sein. In Genf schiesst die «Servette-Stiftung» jährlich etwa 14 Millionen ein. Joe Mansueto alimentierte Lugano im letzten Geschäftsjahr mit knapp 20 Millionen und GC schrieb ein Minus von 14 Millionen Franken, dieses mussten die Chinesen vor dem Verkauf an die Amerikaner wohl noch decken. Von den elf Clubs, die ihre Finanzen offenlegen mussten, weil sie nächstes Jahr möglicherweise europäisch spielen, sind zwei Teams nicht defizitär. YB, das mit Ticketverkäufen und TV-Geldern je fast 30 Millionen einnahm, und der FC St. Gallen. Diese Zahlen gehen aus der Publikation der Liga hervor. «St. Gallen ist für mich das grosse Vorbild», sagt Mike Keller. «Sie haben eine super Kultur, sind regional-lokal verankert und schreiben erst noch einen Gewinn.»

«Wir freuen uns auch, wenn die Leute im Publikum jubeln, wenn unsere Spieler nach dem Sieg zu den Fans gehen können, um zu feiern. Aber dieser Jubel muss finanziert sein.»

Tobias Keller
Über die Finanzierung des FCW

In St. Gallen organisiert die FCSG Event AG sämtliche Fussballspiele und Events und führt diese durch. Sponsoring, Marketing, Ticketing, Merchandising und Finanzen laufen ebenfalls über die FCSG Event AG. Sie entschädigt die FC St. Gallen AG dafür mit einem Millionenbetrag. Die FCSG AG gehört den Fans und organisiert den Profisport inklusive Frauen und Junioren. Über 19’000 Leute haben eine Aktie.

Der Verkauf eines Teils des FCW wäre ein Novum. Zwar wurde ein Besitzerwechsel 2019 ernsthaft in Erwägung gezogen. Mike Keller führt im Auftrag seines Vaters Hannes W. Keller gegen 30 Gespräche mit möglichen Investoren. Diesen fehlten aber jeweils zwei entscheidende Dinge. Eine Bankgarantie über knapp 5 Millionen Franken, um die Verluste während mindestens dreier Jahre zu tragen, und das Herz. «Dieses muss stimmen», sagt Tobias Keller. Er führt dann seine Hand vor die Brust, um die Aussage zu unterstreichen. «Wenn dieses stimmt, dann ist die Verbindung zum Club grösser als die zum Portemonnaie.» Heisst: Im Notfall wird etwas Geld nachgeschossen.

Ein Verkauf war zuletzt vom Tisch. Auswärtige oder ausländische Investoren schloss FCW-Präsident Mike Keller letzten Sommer aus. «Wir wollen aber nicht diejenigen sein, die den Club ‹kleinhalten›, weil wir ‹nur› eine Million geben», sagt sein Bruder Tobias.

«Umdenken muss stattfinden»
Seit die Kellers den FCW von ihrem Vater übernommen haben, ist der Verein professioneller geworden. Es ist etwas gewachsen, das im überraschenden Aufstieg mündete. Zuvor war der FC Winterthur 37 Jahre in der Challenge League. Anderthalb Generationen Winterthurer kennen nichts anderes. «Da muss jetzt ein Umdenken stattfinden, bei allen», sagt Mike Keller. Er meint Verein, Sponsoren, Fans, aber auch die Politik. Der Hebel im Kopf müsse zwingend mehr in Richtung Kommerz gehen. «Wenn wir überleben wollen, müssen wir die wichtigen kulturellen Werte mitnehmen. Aber möglicherweise müssen wir uns auch von gewissen lieb gewonnenen Eigenheiten verabschieden», sagt Mike Keller. Denn das Ziel sei es, dass sich der FCW in der Super League etabliere.

Dazu muss das Gesamtbudget nachhaltig und weiter erhöht werden. Aktuell wird ein Grossteil des 14-Millionen-Budgets von den Löhnen aufgefressen. 8 Millionen Franken weist der FCW als Personalaufwand aus, das sind Fixkosten, die man nicht so schnell reduzieren kann. Zum einen ist der Kader grösser als in der letzten Saison, zum anderen kostet der Erfolg. Mehr Punkte heisst mehr Prämien für das Team.

Das Problem in Winterthur: Der Erfolg lässt sich kaum ummünzen. Der FCW stösst bei den Eintrittsgeldern an Grenzen. Mehr als ausverkauft kann die Schützenwiese nicht sein – die 2,7 Millionen Franken an Zuschauereinnahmen bedeuten wahrscheinlich das Maximum. Es sei denn, der FCW erhöht die Preise. Das ist jedoch bei den Tribünen hinter den Toren beispielsweise gar nicht möglich. Die Liga schreibt vor, dass die Tickets für die Fans der Gastclubs nicht teurer sein dürfen als vergleichbare Tickets in den anderen Sektoren und dass ein Auswärtsbillett in der Super League 25 Franken kostet.

Mike & Tobias Keller beim Gespräch in der KELLER Druckmesstechnik. Sie sagen: «Wir stehen zum FCW, aber…» Foto: Madeleine Schoder

«Der Club ist unser Herzblut»
Das Wachstum soll mit gezielten Massnahmen und Investitionen sowie neuen Sponsoren gelingen. Unter Hannes W. Keller betrug die Zuwendung der Kellers rund ein Viertel des Budgets. Nun sind es noch 10 Prozent. Die beiden Eigentümer wollen den FCW noch breiter abstützen. «Ich bin schon fast Wanderprediger, weil ich das landauf, landab erzähle», sagt Mike Keller. Er ist 80 Prozent bei der KELLER Druckmesstechnik angestellt, am Freitag arbeitet er für den FCW, einen Lohn bezieht er dafür nicht. Auf seiner Wanderschaft sucht er nach Sponsoren, die helfen, die finanzielle Basis weiter zu verbreitern. Oder einen, der mit ihnen zusammen das Defizit deckt.

Und wenn das nicht klappt? «Dann suchen wir einen, der das Ganze übernimmt, oder wir sagen: ‹Nein, wir bleiben regional verankert, und uns sind die Seele, das Herz und die Philosophie wichtiger als die Super League um jeden Preis.› Mit allen Konsequenzen, die folgen», sagt Mike Keller. Stimmige Finanzen seien ebenso wichtig wie sportlicher Erfolg. Die Zahlen müssen stimmen. «Wir freuen uns auch, wenn die Leute im Publikum jubeln, wenn unsere Spieler nach dem Sieg zu den Fans gehen können, um zu feiern. Aber dieser Jubel muss finanziert sein», sagt Tobias Keller. Sonst sei es kein ehrlicher Jubel. Die Zahlen müssen stimmen. Immer.

Das Thema Finanzen hat andere Themen beim FCW in den Hintergrund gedrängt. Zum Beispiel das Frauenteam. Mike Keller sieht diese Thematik eingebettet im Gesamtkontext des FCW: «Priorität hat die erste Mannschaft, weil wir alle an diesem Tropf hängen und wir den nachhaltigen Verbleib in der Super League sicherstellen wollen.» Und mit dem sportlichen Erfolg der 1. Mannschaft könne man auch die anderen wichtigen Bereiche wie Frauenfussball, Nachwuchs, Infrastruktur, aber auch die internen Strukturen und kulturelle Themen nachhaltig weiterentwickeln. Der Frauenfussball und alle anderen Themenbereiche sind im Fokus des Verwaltungsrates.

Dort sind aber seit letzter Woche auch zwei andere Themen: die Ausschreitungen vom Cupspiel und die Spielberechtigung. Die Liga hat dem FC Winterthur Anfang letzter Woche die Lizenz für die neue Saison verweigert. Die Schützenwiese ist nicht tauglich für die Super-League. Das weiss man.

Es braucht wohl bald eine dritte Grossbaustelle, die man aber von der KELLER Druckmesstechnik aus nicht sieht. Und: Dieses Mal zahlen die anderen. Der FCW sei als Mieter nur Bittsteller, sagt Tobias Keller. Aber sie wissen auch: Der FCW ist das beste Winterthurer Stadtmarketing seit der Winterthur Versicherung. Die Stadt kann es sich kaum erlauben, den Club im Stich zu lassen. Die Kellers werden das jedenfalls sicher nicht tun. «Der Club ist unser Herzblut», sagt Mike Keller. Jetzt muss aber die Stadt vorwärtsmachen. Das sprechen die beiden aber nicht aus – sie reden nicht gerne öffentlich.

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