Differenzdruckmessung in industriellen Anwendungen

Manuel Farrèr
16. April 2024

Wie funktionieren Differenzdrucksensoren und wie unterscheiden sie sich von anderen Sensortypen? Welche verschiedenen Messprinzipien für Differenzdruck gibt es, und welche Vorteile bieten sie? In diesem Blog werfen wir einen genaueren Blick auf die Welt der Differenzdruckmessung und beleuchten zwei typische Anwendungen aus der Praxis und deren Herausforderungen.

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass alle Drucksensoren von KELLER Differenzdruck messen. Relativ- und Absolutdrucksensoren haben jedoch einen definierten Bezugspunkt, gegenüber welchem eine Druckdifferenz gemessen wird. Beim Absolutdruck ist dieser Bezugspunkt das absolute Vakuum. Beim Relativdruck misst man gegenüber dem atmosphärischen Druck, umgangssprachlich auch als Luftdruck bekannt.

Im Gegensatz zu den oben genannten Druckarten misst der Differenzdrucksensor den Druckunterschied zwischen zwei variablen Druckpotentialen, also ohne definierten Bezugspunkt. In der Praxis heisst das, man kann zwischen zwei beliebigen Prozessdrücken den Druckunterschied messen. Durch den zusätzlichen Prozessanschluss lassen sich Differenzdrucksensoren optisch einfach von anderen Drucksensoren unterscheiden.

Weitere Details zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden dieser drei Typen der Druckmessung sind übrigens ausführlich im Blog «Druckarten und ihre Bedeutungen» beschrieben.

Aufbau der Differenzdruck-Messzelle

Piezoresistive Differenzdrucksensoren von KELLER können auf verschiedene Weise aufgebaut werden. Merkmale wie «wet» oder «wet-wet» tauchen im KELLER Produktportfolio nur bei Differenzdrucktransmittern auf und definieren die Medienkompatibilität der Prozessanschlüsse.

Die KELLER Serie PD-33X ist mit einem klassischen «wet-wet»-Anschluss aufgebaut, was bedeutet, dass die Rückseite des Aufnehmers ebenfalls mit Öl gefüllt. Das Messmedium trifft von beiden Seiten auf die metallische Membrane, typischerweise aus Edelstahl.

Aufbau der Serie PD-33X

Beim PRD-33X ist dies nicht der Fall. Der Minus-Anschluss ist direkt mit der Rückseite des Druckchips verbunden und das Messmedium darf daher weder korrosiv noch abrasiv sein.

Aufbau der Serie PRD-33X

Vorteil dieser beiden Bauformen («wet» und «wet-wet») ist die sehr hohe Auflösung des Differenzdrucks. Dieser kann mit einem auf diesen Druckbereich ausgelegten Chip gemessen werden.

Alternativ können die beiden Drücke mittels zweier Absolutdruckmesszellen (PD-39X) ermittelt und der Differenzdruck in der Elektronik berechnet werden. Diese Konfiguration ist besonders für hohe Drücke zu empfehlen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass zeitweise nur einseitig Druck anliegen wird.

Aufbau der Serie PD-39X

Typische Anwendungen mit Differenzdrucksensoren

Durchflussmessung

Die Durchflussmessung ist neben Temperatur, Druck und Kraft eine weitere wichtige Messgrösse der industriellen Messtechnik und zählt zu den Grundlagen der Prozessautomatisierung. Es gibt mehrere Möglichkeiten den Durchfluss zu messen. Eine gängige Methode ist die Differenzdruckmessung über eine sogenannte Messblende. Um das Prinzip dieser Durchflussmessung zu verstehen, benötigt es einen kurzen Abstecher in die zugrunde liegende Physik.

 

Die Bernoulli-Gleichung 

Der Schweizer Mathematiker und Physiker Daniel Bernoulli stellte im 18. Jahrhundert zusammen mit seinem Bruder Johann die Bernoulli-Gleichung auf. Diese besagt, dass bei inkompressiblen Flüssigkeiten oder Gasen (Fluiden), die Masse eines Mediums, das sich in einer bestimmten Zeitspanne durch einen Querschnitt bewegt, unabhängig davon ist, welchen Durchmesser das Rohr oder die Leitung besitzt. Vereinfacht gesagt heisst das: Wird der Leitungsdurchmesser kleiner, steigt die Fliessgeschwindigkeit, und wird der Leitungsdurchmesser grösser, sinkt die Fliessgeschwindigkeit. Die Durchflussmenge bleibt immer dieselbe. Dieses Phänomen ist auch bei der morgendlichen Dusche zu beobachten. Je nach Einstellung der Duschbrause fühlt sich der Wasserstahl eher stechend oder nach einem angenehm leichten Sommerregen an. Erzeugt wird dieser Effekt durch eine unterschiedliche Anzahl an offenen Düsen, durch die dieselbe Menge an Wasser verteilt wird.

 

Durch die Verwendung einer Messblende, welche nichts anderes als eine künstliche Verengung darstellt, entsteht vor als auch nach der Messblende ein Druckunterschied. Mithilfe einer mathematischen Formel kann auf Grundlage dieses Druckunterschieds der Volumenstrom berechnet werden.

Q: Volumenstrom [m3/s]
α: Durchflusskoeffizient
A: Strömungsquerschnitt der Blende [m2]
ρ: Dichte des Fluids in [kg/m3]
Δp = p1 – p2: Druckdifferenz in [bar]

Messblende

Füllstandsmessung in Flüssiggastanks

Differenzdrucksensoren werden ebenfalls zu Füllstandsmessungen in Flüssiggastanks eingesetzt. Gase wie Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff, Kohlendioxid, Argon und das im Erdgas enthaltene Methan werden für den Transport sowie zur Aufbewahrung verflüssigt. Damit lässt sich das Volumen um das Sechshundertfache reduzieren. Das Volumen von einem Liter Methangas kann in flüssigem Zustand auf 1.6 cm3 reduziert werden. Um den flüssigen Aggregatzustand von Methan zu erhalten, benötigt man eine konstante Temperatur von unter -162 °C. Dafür wäre eine perfekte Isolierung des Kryotanks notwendig. In der Realität ist diese jedoch nicht umsetzbar, daher nutzt man zusätzlich das Prinzip der Verdunstungskühlung. Dabei wird von Zeit zu Zeit eine geringe Menge verflüssigtes Gas verdampft. Die Temperatur bleibt somit konstant. Jedoch füllt sich das freie Volumen mit Gas und verhindert somit eine herkömmliche Pegelmessung, da das Tanksystem hermetisch dicht ist. Aufgrund dieses zusätzlichen Drucks, der auf das verflüssigte Methan einwirkt, bedarf es eines Differenzdrucksensors zur Füllstandbestimmung.

Bei einer Temperatur von -162 °C bleibt natürlich auch das in den Druckaufnehmern eingesetzte Öl nicht mehr flüssig, deshalb wird der Transmitter etwas abgesetzt montiert, damit das zu messende Gas eine für den Transmitter verträgliche Temperatur erreicht.

Kryotank

Druckspitzen, thermische und zeitliche Einflüsse im Spezialfall ISS

Dank hervorragender Performance und Produktqualität sind Differenzdrucksensoren von KELLER auch auf der internationalen Raumstation ISS im Einsatz. Um dort eine langfristig präzise Messung sicherzustellen, gab es im Vorfeld ein paar wichtige Punkte zu beachten.

Die Begriffe Wasserhammer oder Druckspitzen kennt man in der Druckmesstechnik, auch bekannt als Druckschlag oder Joukowsky-Stoss. Dieser entsteht durch das schlagartige Öffnen oder Schliessen von Ventilen und kann selten komplett ausgeschlossen werden. Der Abbau dieses Druckschlags erfolgt in der Regel über die Elastizität der Druckleitung. Damit der Drucksensor keine Schwachstelle darstellte, mussten genügend Reserven bei der Überlastfestigkeit eingeplant werden.

Bei einer schnellen Änderung des Aggregatzustands von verflüssigten Gasen zurück in den gasförmigen Zustand entsteht an Ventilen und Leitungen teilweise Eis. Diese Temperaturänderungen können zu einer minimalen, aber messbaren Temperaturhysterese führen. Misst man den Differenzdruck mit zwei Absolutdrucktransmittern an unterschiedlichen Orten, wie dies zum Beispiel bei der Bestimmung des Füllstandes in einem Kryotank notwendig ist, können aufgrund der unterschiedlichen Einbaupositionen und thermischen Bedingungen die Sensoren unterschiedlich altern. Um diesen Unterschied zu minimieren, wurden beide Sensorelemente so nah wie möglich beieinander platziert. Dadurch sind beide Siliziumchips denselben thermischen Einflüssen ausgesetzt und weisen ein möglichst ähnliches Verhalten auf.

Auch piezoresistive Sensoren weisen über die Zeit eine Langzeitdrift auf, auch wenn dieser im Vergleich mit anderen Druckmesstechnologien beinahe vernachlässigbar ist. Um auch diese minimale Ungenauigkeit aus der Welt, beziehungsweise aus dem All zu schaffen, wird das System in periodischen Abständen auf einen drucklosen Zustand gebracht, um eine Nullpunktkorrektur durchzuführen. Somit bleibt die sehr hohe Präzision der KELLER Differenzdrucktransmitter langfristig gewährleistet.

Erfahren Sie in unseren Anwendungsberichten, wie KELLER Differenzdrucksensoren auch noch eingesetzt werden können.

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