Genauigkeit oder Gesamtfehler?

Manuel Boller-Berger
14. März 2023

Bei der Wahl des passenden Drucktransmitter führt früher oder später kein Weg am Datenblatt vorbei. Datenblätter werden vom Hersteller zur Verfügung gestellt und gelten als Visitenkarte des Produkts. Dabei soll es einen Überblick der Eigenschaften und Möglichkeiten verschaffen. Vor allem wenn man verschiedene Hersteller oder potenzielle Lieferanten miteinander vergleichen möchte, lohnt es sich, sich mit den Angaben zur Performance oder Spezifikation auf dem Datenblatt auseinanderzusetzen.

Konfigurationsmöglichkeiten wie elektrische Anschlüsse oder Druckanschlüsse sind in der Regel eindeutig und einfach zu verstehen. Schwieriger wird es jedoch bei den Angaben zur Genauigkeit, Stabilität oder zusammenfassend gesagt, zur Performance des Gerätes. In diesem vorherrschenden Informations-Dschungel möchten wir Klarheit schaffen und verschiedene Angaben genauer erklären.

 

Welche Angabe ist wichtiger – Genauigkeit oder Gesamtfehler?

Beim Kauf eines Drucktransmitters fällt meist die Genauigkeit als erstes ins Auge. Doch die Genauigkeit ist nur ein Teil eines weiteren übergeordneten Begriffs, nämlich des Gesamtfehlers. Die Genauigkeit allein gibt keine Auskunft darüber, wie gross der Gesamtfehler tatsächlich ist. Dieser hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel den Bedingungen, unter denen der Drucksensor eingesetzt wird.

Der Gesamtfehler besteht aus drei Elementen: justierbare Fehler, Genauigkeit und thermische Effekte.

Die Genauigkeit

Beim Begriff Genauigkeit kommt es immer wieder zu Missverständnissen und unterschiedlichen oder falsch gedeuteten Werten. Diese Unstimmigkeiten beginnen bei der Definition des Begriffs. In der Norm IEC 61298-2 werden zur Genauigkeit gehörende Begriffe wie Nichtlinearität, Druckhysterese und Nichtwiederholbarkeit erklärt. Es wird aber nicht definiert, ob die justierbaren Fehler wie Nullpunkt- und Verstärkungsabweichung auch Teil davon sind. Dies ist somit herstellerabhängig. Bei KELLER wird in der Regel die «tatsächliche Genauigkeit» angegeben, inklusive justierbare Fehler. Bei älteren Produktserien kann dies abweichen und die Nullpunkt- und Verstärkungsabweichung werden separat ausgewiesen.

Ein weiterer Diskussionspunkt sind die Angaben zu der typischen und maximalen Genauigkeit. Bei der typischen Genauigkeit wird selten spezifiziert, was «typisch» genau bedeutet. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Verteilung der typischen Genauigkeit der Gauss’schen Normalverteilung folgt. Einige Hersteller geben sowohl den typischen als auch den maximalen Wert an. Aufgrund der langjährigen Erfahrung als Hersteller von Druckaufnehmern und Drucktransmitter wird bei KELLER der Begriff «typische Genauigkeit» synonym mit «erfahrungsgemässe Genauigkeit» verwendet. Nach Möglichkeit vermeidet KELLER eine Angabe zur typischen Genauigkeit und gibt jeweils die maximale Genauigkeit an. Damit ist jedes Produkt von KELLER zwingend innerhalb der spezifizierten Genauigkeitsklasse.

Unter dem Überbegriff Genauigkeit verstecken sich drei Angaben:

  • Nichtlinearität / Linearität
  • Druck-Hysterese
  • Nichtwiederholbarkeit / Wiederholbarkeit
  • (justierbare Fehler)

Die Nichtlinearität/Linearität beschreibt die grösste (positive oder negative) Abweichung der Kennlinie von einer idealen Referenzgeraden. Die Referenzgerade kann mittels drei unterschiedlicher Methoden bestimmt werden, wobei KELLER sich in der Regel der Best Fit Straight Line bedient:

  • Grenzpunkteinstellung (Endpunkt): Die Referenzgerade verläuft durch Anfangs- und Endpunkt.
  • Anfangspunkteinstellung (Best Fit Through Zero): Die Gerade wird durch den Anfangswert gelegt, und die grösste Abweichung der Kennlinie nimmt den kleinstmöglichen Wert an.
  • Kleinstwerteinstellung (Best Fit Straight Line): Die Referenzgerade wird so gelegt, dass die maximale positive und negative Abweichung am kleinsten ist. Diese Methode liefert den kleinsten Fehlerwert.

Jede Methode führt zu anderen Ergebnissen, welche aber dieselbe Charakteristik beschreiben. Daher ist es wichtig, dass Hersteller die verwendete Methode offenlegen und die resultierende Nichtlinearität spezifizieren.

Die Druck-Hysterese beschreibt die maximale Abweichung der Kennlinie zwischen Druckanstieg und -abfall bei konstanter Temperatur. Im Gegensatz zu anderen Fehlern ist die Druck-Hysterese nicht kompensierbar und ist durch physikalische Eigenschaften des Drucksensors/Druckchips gegeben.

Die Nichtwiederholbarkeit (Wiederholbarkeit) beschreibt die maximale Abweichung bei mehreren Messungen (mindestens drei) mit identischem Messaufbau, Temperatur und angelegtem Druck. Auch die Nichtwiederholbarkeit ist ein Fehler, der nicht kompensiert werden kann.

Die justierbaren Fehler

Die Messabweichung im Nullpunkt (Messbereichsanfang) und Endpunkt (-Ende), auch bekannt als Nullpunkt- und Verstärkungsabweichung, gehören zu der Kategorie der justierbaren Fehler.

Wie bereits erwähnt sind diese beide Angaben in der Regel in der Genauigkeit enthalten, können aber auch als separater Fehler ausgewiesen werden.

Die thermischen Effekte

Die Angaben zur Genauigkeit gelten bei Raumtemperatur, beziehungsweise bei einer konstanten Temperatur, die zum Zeitpunkt der Produktion (ca. 25 °C) vorliegt. In der Realität werden Drucktransmitter aber häufig ausserhalb dieser Produktionsbedingungen eingesetzt. Um diese Messabweichungen zu identifizieren, wird während der Produktion das thermische Verhalten des Drucktransmitters aufgenommen.

Die Temperatur-Hysterese beschreibt, ähnlich wie die Druck-Hysterese, das Verhalten bei gleichbleibendem Druck- und Messaufbau bei ansteigender und abfallender Temperatur. Dieser Fehler ist nicht kompensierbar. Der Wert wird bei KELLER nicht explizit aufgeführt, ist aber im Gesamtfehlerband enthalten.

Die zweite Grösse wird als Temperaturfehler bezeichnet. Hier werden in der Praxis die Fehler als Temperaturkoeffizient im Nullpunkt (TK-Nullpunkt) und der Spanne (TK-Spanne) angegeben (z.B. 0,2 %FS / 10 K). Um den Temperaturfehler über den gesamten Medien-/Arbeitstemperaturbereich zu erhalten, müssen ausgehend von der Produktionstemperatur die Fehler aufaddiert werden.

Ein Beispiel:
Arbeitstemperaturbereich        -10…80 °C
TK-Nullpunkt                            0,1 %FS / 10 K
TK-Spanne                                0,1 %FS / 10 K

Berechnung des Gesamtfehlerbands

Summiert man die Genauigkeit mit den thermischen Effekten und den justierbaren Fehlern auf, erhält man das Gesamtfehlerband. Somit wird das Verhalten eines Drucktransmitters auf eine Zahl (oder Fehlerband) heruntergebrochen und im Optimalfall mit anderen Herstellern vergleichbar gemacht.

TEB von Rechenbeispiel

In folgender Grafik ist das Gesamtfehlerband der Serie 23SX aufgezeichnet.

TEB 23SX

Fazit

  • Es wird dem Anwender nicht immer einfach gemacht
  • Das Kleingedruckte lesen und Gleiches mit Gleichem vergleichen
  • Nicht immer verbirgt sich hinter der kleinsten Zahl auch der hochwertigste Drucktransmitter
  • KELLER versucht so kundenfreundlich und ehrlich als möglich zu spezifizieren
  • Bleiben trotzdem Fragen oder Unklarheiten, den Vertriebsingenieur konsultieren 

 

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